Der Schrei der Möwe

Ein Gedicht von KW Thörmer

„SCHAU DIR DAS AN“.

Die Sonne schien ihm direkt in die Augen, als er hinter der

schützenden Zeitung aufsah. Möglich, daß das einlullende Rauschen

des Meeres, das fern und gleichzeitig nahe Gesumm von vielen

Menschen ihn ein wenig in einen wohligen Schlaf hatte sinken

lassen.

Jetzt merkte er auch die heisse Haut, das Brennen des Sandes.

Hastig sich aufrichtend, suchte er besorgt nach beginnendem

Sonnenbrand. Die von fernen Deutschen Welten kündende Zeitung

rutschte in den Sand und seine Hand suchte wie von selbst die

Flasche mit der Sonnenmilch, Schutzfaktor 20.

Die weisse Flüssigkeit, die seine Haut aufnahm wie ein Schwamm

roch gut. Roch nach Urlaub, Sonne, Meer und einen

Riesen-Campari-Orange in dem winzigen Fisch-Lokal.

Die Geräusche der Leute ringsumher schienen, nun da er wach

geworden war, lauter zu sein, ohne wirklich zu stören.

Selbst das Radio, nur ein paar Meter weiter, dass unbeachtet vor

sich hin dudelte, störte eigentlich nicht.

Höchstens aus Prinzip. Und irgendwie war dieses Prinzip nicht mit

in das Flugzeug gestiegen. Erwartete ihn wohlmöglich auf dem Flughafen

die Rückkehr. Mochte es warten.

Etwas nur erinnerte die überschüssige Magensäure vom Rotwein

letzte Nacht an zu Hause.

Sonst war alles von dem leichten Meereswind weggeweht.

Mit einem albernem kleinen Strohhut gegen die Sonne geschützt saß

sein Sohn ein Dutzend Meter weiter , direkt dort, wo sich die

winzigen Wellen an den Resten einer Sandburg brachen. Mit seiner

blauen Plastik-Schaufel grub er sein bisher größtes Loch inmitten

seines unermesslichen Sandkastens.

Immer wieder brachen vorwitzige Wellen die Kanten des Loches ab,

aber unter der unermüdlichen Schaufel häufte sich auch dieser Sand

zu einem immer höher sich türmenden Deich um dieses Werk.

Möwen schrien hoch über den Menschen ihren Triumpf in den Himmel.

14.01.1989

Copyright Klaus Thörmer