Eine Kurzgeschichte aus dem Buch BLICKE!
Der Beamtencounter war ein einfacher Volksbot. Mindestens 10 Jahre alt mit vergilbter Kunststoffhaut und die eine Kamera zugeklebt.
Irgendetwas klickte und der Bildschirm sagte, ich sollte mich setzen.
Der Stuhl war antik – ich hatte neuere und bessere schon aussortiert und auf den Müll geworfen. Jedenfalls in der Zeit, als noch einen Job hatte. Der Boden ein durchgelaufener Plastikbelag. Dort, wo die Tür entlang scharrte, war er weggerissen und bot den Blick auf den Estrich. Eine flackernde Glühbirne hing über dem Tisch. Auf dem Tisch ein staubiges Eingabe-Pad, ein schmieriger Bon-Drucker und ein nagelneuer, blitzender Scanner.
Ich hielt mein Handgelenk über den Scanner. Der Counter hob knirschend den Kopf. Eine Seite seines Kunststoffgesichts verzog sich. Sollte in seiner Entstehungszeit wohl ein Lächeln gewesen sein. Jetzt war es nur gruselig, denn die Kunststoffhaut auf der anderen Seite flappte nur und blieb nach unten geneigt hängen.
„Guten Tag Herr Wendrich!“ Die
Stimme war knarzend irgendwie, aber immerhin verständlich.
Die Lüftung des Volksbots lief rumpelnd an. Stickig war es in dem Container.
Wie schön war es in dem alten Backstein-Rathaus gewesen, bis vor drei Jahren
die Unruhen das Gebäude in Flammen aufgehen ließ. Seitdem standen 24 Container
an der Stelle des Rathauses mit Beamten-Bots. Man bekam einen Termin zugewiesen
und musste dort zur Stunde und Minute pünktlich stehen, sonst war es das mit
dem Geld für den Monat.
„Ja.“ Sagte ich, nicht „Guten Tag“ wie viele das machen. Wie kann man einer
Maschine einen guten Tag wünschen ? Was wäre für sie ein guter Tag und was wäre
ein schlechter? Ein schlechter
sicherlich einer von den Stromspar- Tagen, ein guter vielleicht, wenn kein
Einziger vorgeladener pünktlich wäre und man deren Geld nicht auszahlen müsste?
Na, das war wohl zu menschlich gedacht.
„Karl Herbert Wendrich, kein Job wurde für sie gefunden. Da sie bereits 8
Monate ohne Job sind, ist ihre neue Einstufung „C“. Sie erhalten statt der
Basisversorgung von 12 bitcoins nur noch 4 bitcoins und 3 tägliche
Essensberechtigungen für die staatliche
Bezirksverteilstelle 318. Weg und Zeitzuteilung entnehmen sie bitte ihrer mail.
Die Einstufung C bedeutet, dass man
ihnen jede Arbeit zuweisen kann. Aufgrund ihrer durchschnittlichen
gesundheitlichen , psycho- und Intelligenzeinteilung haben wir 3 mögliche Jobs
für sie:“
Schweiß ran mir den Rücken hinunter, die Kamera des verdammten Roboters begann
hörbar zu zoomen, immer raus und rein – mit der verbliebenen Kamera. Fast
entging mir das nächste:
„Job 1. Maschinenschmierer Ködele Werke ; Job 2. Lagerarbeiter Transpo
Logistik Job 3. Mitfahrer Transpo
Logistik Nahstrecke.“
Der Bot schwieg.
Sein Lüftungsventilator klackerte plötzlich. Ein Lager winselte und
unvermittelt hob er seinen Greifarm und streckte ihn gegen die Metalldecke.
Etwas brummte. Dann sagte er
„Job 4. Vorkoster bei Familie. . „ wieder brummte irgendetwas und ich sah mich
nach der Tür um, für den Fall, daß der Bot in die Luft flog.“ Klammer auf –
vertraulich – klammer zu; welchen Job
wollen sie antreten ?“
Maschinenschmierer – dreckigste Arbeit von der ich gehört hatte – auffüllen
der Schmierbehälter für irgendwelche automatischen Fabriken, Lagerarbeit .. ich
kannte einen, der dabei verstümmelt wurde – Lagerarbeit heute hieß, zwischen
den automatischen Förderanlagen herumkrabbeln und eventuell heruntergefallene
Pakete aufsammeln und wieder einlagern. Die Förderanlagen hielten nicht an und
man musste höllisch aufpassen um nicht von einer der Maschinen erwischt zu
werden. Mitfahrer .. das ging noch an. Langweilig natürlich : als gesetzlich
vorgeschriebener Notfahrer mitzufahren, wenn die Computer gesteuerten Lastwagen
durch die Gegend kurvten. Eingreifen wenn der Computer irgendetwas falsch
einschätzte – was praktisch nie geschah.
Essen in der Verteilstelle ? Dann lieber Vorkoster – was immer das war. Nie
gehört, mir schoss das Beispiel der mittelalterlichen Vorkoster durch den Kopf
– leckere Speisen und die Chance das zu überleben. „ Job. 4 Vorkoster“ brachte
ich gerade noch hervor, bevor die Zeit abgelaufen war. Der Bondrucker klackerte
los. Gerade noch konnte ich das Papier ein Stück herausziehen, bevor der
Druckkopf den ganzen Text auf ein und dieselbe Zeile druckte. „Danke, auf Wiedersehen.“
Sagte der Bot brav und sein Kopf senkte sich, so als würde er etwas Interessantes
auf dem Tisch betrachten.
Vom Usability Design Manager mit solidem Monatssalär zum Vorkoster in 8
Monaten. Ich hatte schon von schlechteren Jobs gehört. Konnte man dabei drauf
gehen ? Es war mir egal.
Die Tür hinter mir klappte automatisch auf. Der Nachfolger schaute hinein, „Nu
los mach schon, zieh ab!“ raunzte er mich an. Ich verließ den Raum, nicht ohne
ihn wütend anzusehen.
Draußen auf dem Platz – früher der Rathausplatz – schaute ich mir den Bon an.
Rechtliche Belehrung bla bla bla,, Neue
Krankenversicherungseinstufung – auf c3 – natürlich, Job Angebot angenommen,
rechtliche Belehrung blablabla, Drohung wenn man nicht antritt, blablabla ,
Da stand es:
Zu melden Kangrooo Distrikt, Nebeneingang Süd,
Auftragsnummer blablabla, bei der Security melden.. Uhrzeit, Datum,
.. Pünktlich erscheinen sonst…
Kangrooo war der Konzern, der aus einer Reihe von asiatischen Multi-Konzernen
entstanden war. Der Distrikt lag etwas außerhalb der City und hatte eine dicke
Mauer drum herum. Welche Marken genau dazu gehörten, keine Ahnung.
Langsam ging ich nach Hause. Längst hatte sich mein Gang dem schlurfenden
Schritt der anderen Verlierer angepasst. Nur manchmal erinnerte ich mich an die
schöne Zeit mit einem geregeltem Berufsleben und dem elastischen,
vorwärtsdrängenden Schritt. Wenn mir heute so einer entgegen kam, senkte ich
den Blick und trat automatisch zur Seite. Unwichtig bin ich geworden und wäre
am liebsten unsichtbar. Oder tot. Gleich 16. Uhr. Mein Termin in der
Bezirksverteilstelle 318 begann in einer viertel Stunde. Ich beschleunigte
meine Schritte.
Eine Tram rumpelte an mir vorbei. Unwillkürlich trat ich ein paar Schritte
seitwärts aus. Zu oft entgleisen die Dinger und fahren irgend wen oder
irgendetwas über den Haufen.
Vorher noch nach Hause gehen ? ah. Lohnt nicht. Als ich die Verteilstelle
erreichte war ich etwas außer Atem,
obwohl das ständige zu Fuß gehen meiner Fitness schön geholfen hat. Ich reihte
mich in die Schlange ein. Schlag Viertel nach wurden die Drehkreuze grün und
die ganze Menge schob los.Klack klack klack .. jeder hielt im Vorbei gehen
seinen Sozialausweis an den Barcode. Wurde es Rot und das Drehkreuz blockierte,
wurde der oder diejenige rüde beiseite gedrängt.
Bei mir klappte es zum Glück.
Weiter im Schweinsgalopp zur Ausgabe von Tablett und Besteck. Dann in die eng-
gedrückte Schlange an der Essensausgabe. Aus irgendwelchen Gründen war die Kreide-Tafel,
die angab, was das Tagesgericht war – hinter der Essensausgabe. Egal. Man nahm
sowieso was kam. So ungefähr 50-60 Leute waren vor mir. Als ich an der
Stahlausgabe angelangt war, waren die ersten 3 Auswahl Gerichte schon aus.
Übrig blieb Auswahlessen Nummer 4. Graupensuppe mit Mettklößchen, las ich
später. Erwartungsgemäß Schleimiges mit Bröckchen und nur noch lauwarm.
Ich quetschte mich an das Ende einer der Bänke und begann zu löffeln.
Der Abend war trostlos. Mein Freundeskreis hatte sich nach dem Verlust des
Arbeitsplatzes stark reduziert.
Ist noch untertrieben, wenn ich darüber nachdenke.
Da ist noch Dimitros vom Kiosk an der Ecke geblieben. Der grüßt immer
freundlich. Die überalterte Nachbarschaft, für die ich die Mülltonnen raus
stelle, sind immer sehr dankbar. Ich mag
die über 90 jährige Annette aus dem 1. Stock. Von der bekomme ich Weihnachten
immer eine Flasche Schwarzgebrannten. Ihr Sohn arbeitet irgendwo auf dem Land
und hat Zugang zu allerlei Sachen, von denen die Stadtbewohner nur träumen
können.
Nicht einmal der Fernseher war mehr mein Freund. Ich hasste es, wenn er Tag und Nacht Werbesendungen lieferte, zwischendurch alte Spielfilme und man ihn nicht mehr ausstellen konnte.
Ich klappte müde mein Bett herunter, setzte meine Schlafbrille auf und die
Ohrenstöpsel ein.
Ein neuer Tag mochte kommen.
Ich stand gerne früh auf. Die Gemeinschaftsdusche war dann praktisch leer und das Wasser noch heiß. Diesmal nahm ich meine 2. Jeans mit unter die Dusche zum Waschen, die hatte es wirklich nötig, starrte fast vor Dreck.
Fast nass – mein Handtuch war nur noch ein fadenscheiniges Etwas – ging ich zurück zu meinem Appartement, hängte die Jeans über meinen Stuhl zum trocknen auf und machte mich auf den Weg. Fröhlich eigentlich. Neuer Tag – neuer Job. Bei der Essensausgabe hatte ich wieder kein Glück. Nicht ganz auftaute Brötchen, Majonäse und Marmelade in kleinen gelben Plastiktütchen. Lauwarmer Tee, keinen Zucker.!
Straßenbahn oder nicht war die Frage. Der Distrikt lag etwas außerhalb, Ich
könnte ihn – dank meiner neu erworbenen Kondition noch erreichen, natürlich
nass geschwitzt.
Ich riskierte die Straßenbahn – sie kam nahezu pünktlich und schaukelte mich
bis zu der südlichen Distrikthaltestelle. Mit mir stiegen ein Dutzend anderer
aus. Ein paar trugen braun-rote Overalls, die anderen in den üblichen Lumpen.
Ich nahm mich in meiner besten Jeans und dem rosigen Gesicht noch gut dagegen
aus und meine gute Laune stieg..Fast konnte ich eine reichhaltiges Frühstück
schon riechen. Ob es wohl Orangensaft gab?
Der Distrikt wurde von einer fast 14 Meter hohen Mauer umgeben. Sie
glänzte in allen Farben – was wohl die Graffiti Gangs entmutigen sollte.
Die Security prüfte meinen Behörden-Bon, als ob er das Gesamtwerk von Wikipedia enthielte. Ich wurde 2xmal durchleuchtet, bekam ein grünes Armband, daß man nicht selber entfernen konnte, und durfte dann in den Quarantäne Bereich gehen. Das kannte ich schon von meinem letzten Arbeitsplatz. Grüne Leuchtdioden führten mich durch schneeweiße Gänge, Ich musste nackt durch die Hygieneschleuse und bekam einen flauschigen, grünen Overall und Filzpantoffel. Sehr angenehm eigentlich. Meine Sachen kamen in einen Plastik-Container, der mit meinem Implantat versiegelt wurde. Das halbrohe Brötchen vom Frühstück rollte in meinem Magen hin und her. Ich hätte es nicht essen sollen zumal mich nun ein Luxus- Frühstück erwarten mochte.
Das grüne LED Licht führte mich durch einen weiteren Gang zu einem
Aufseher.
Ein Mensch diesmal. Er war luxuriös dick und strahlte allein durch seine
Körperfülle Reichtum und Klasse aus. Er nickte zu einem Stuhl. Ich hockte mich
dort hin. Seine dicken Finger tanzten über eine Tastatur. Eine Weile verging.
Ich beobachtete eine Fliege an der Wand, die verwirrt und sicherlich hungrig
über eine sterile weiße Fläche kroch. Sie tat mir leid und ich fühlte mich
irgendwie mit ihr verbunden. Der Aufseher drückte fast triumphierend eine Taste
und aus einem Schlitz auf seinem Schreibtisch kam ein dicht bedrucktes Blatt
Papier.
„Sie sind Herbert Wendrich ?“ dumme Frage, mein Implantat war mit Sicherheit schon 100 Mal gescannt worden auf dem Weg durch den Gang. Ich nickte.
„Schön. Hier ist ihr Arbeitsvertrag und ihre Verpflichtungserklärung. Wenn
sie drei Monate bleiben und pünktlich zur Arbeit erscheinen, erhalten sie eine
Verbesserung ihrer Einstufung um 2 Punkte. Außerdem acht einhalb Bitcoins pro
Monat – zusätzlich zu ihren Sozialbezügen. Sie unterschreiben hier und
erklären, dass sie ihren Arbeitgeber, der Tomosjoshi Corporation Middle Europe
AG von allen möglichen Folgen, die sich aus ihrer Tätigkeit ergeben frei
sprechen und verzichten auf jedes Rechtsmittel gegenüber der Tomosjoshi
Corporation Middle Europe AG. Sie unterliegen nun dem Mittelasiatischen
Arbeitsrecht. Die Tomosjoshi Corporation Middle Europe AG behält sich vor,
ihren Arbeitsvertrag ohne Angaben von Gründen jederzeit zu beenden. Die
Kündigungszeit beträgt die Zeit, die benötigt wird, sie vom Firmengelände zu geleiten.
Unterschreiben sie hier.“
Er hielt mir mit seinen Wurstfingern das Blatt Papier und einen billigen
Kugelschreiber hin. Soweit war der Arbeitsvertrag normal und ich unterschrieb
ohne zu zögern. Gott sei Dank kein Amerikanisches Arbeitsrecht.
„Willkommen bei der Tomosjoshi Corporation Middle Europe AG, wir nennen uns selbst die Tommies- natürlich nur, wenn niemand vom Management in der Nähe ist.“ Das Blatt verschwand wieder im Schreibtisch Schlitz. Er stand auf, wirkte auf einmal etwas verlegen, wippte einen Moment auf seinen Pantoffeln hin und her und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Sah mich kurzsichtig an. „Ähmm. Sie sind also der neue Vorkoster des Senior Marketing Managers. Ich sollte ihnen vielleicht sagen, dass es schon drei Versuche gab ihn umzubringen – zwei mal mit Waffen, einmal mit Gift.
Ihr Job ist nicht ganz ungefährlich, aber wir von der Security glauben eigentlich nicht, dass man nochmal mit Gift probiert. Dem letzten Vorkoster wurde vom Wettbewerb eine große Summe geboten, damit er das Gift schluckte, das für die Familie des Senior Managers bestimmt war – natürlich mit einem Gegengift. Wir haben ihn vorher erwischt und den lokalen Behörden übergeben. Keine Ahnung wo er jetzt ist – aber ich kann ihnen sagen, es wird ihm nicht gut gehen.“ Mich schauderte. Es gab in der Verlierer Szene immer wieder Gerüchte um Strafen. „Keine Sorge, ich bin ganz und gar unbestechlich.“ Sagte ich mit meinem besten – sonoren Ton des Unterstatements.
„Schön. Ich rufe jetzt einen Bot, der sie zu ihrem Arbeitsplatz bringt. Sie haben ein kleines Zimmer im Vorraum der Family Suite des Seniors. Wenn ihnen irgendetwas an dem ihnen vorgesetzten Essen merkwürdig vorkommt, drücken sie auf den roten Knopf auf ihrem Tisch. Haben sie das verstanden ?“
„Natürlich. Sie können sich auf mich verlassen !“ sagte ich.
Der Bot war strahlend weiß und ein Modell, das ich noch nicht mal in der Werbung gesehen hatte. Er nickte mir freundlich zu und bedeutete mir zu folgen.
Na Ja, kleines Zimmer… mein „Büro“ war ein Art Telefonzelle, von allen Seiten einsehbar und mit einer Klappe im Vorderteil. Der kleine Bot öffnete die Tür und knickte in der Mitte ein, wie es ein Teil der Asiaten macht. Ich knickte zurück und setzte mich in meine Glaszelle.
„Sie haben zur jeder vollen Stunde 10 Minuten Pause. Die Toiletten sind
dort!“ er wies mit einem Fühler nach rechts. „Die Kontrolllampe leuchtet orange
wenn das Essen des Senior Managers gebracht wird. Willkommen bei Tomosjoshi
Corporation Middle Europe AG“. Er knickte wieder ein und verschwand in die
Richtung aus der wir gekommen waren.
Ich schaute mich um. Meine Telefonzelle stand in einem wohl 20 Meter breiten
und 100 Meter langen Gang, mit dunklem Holz getäfelt und indirekter
Beleuchtung.
Regelmäßig hingen dort Gemälde. Ich schaute genauer hin. Genau: Cartoons. Meist
historisch aber auch einige neuere Mangas. Keine Drucke, wie es aussah. Hier
hing ein Vermögen. Ich setzte mich in meine Zelle. Über mir hing ein Mobile,
das sich sanft in der Lüftung bewegte. Ich schloß die Tür und stellte fest, das
eine Art Clownsgesicht meinen Oberkörper verbarg. Ich konnte nur den bunten
Teppich des Ganges sehen. Meine Schicht begann.
Ich schaute auf die Uhr. Schaute nochmal auf die Uhr und überlegte, dass ich
als LKW Beifahrer immerhin ein Buch mitnehmen könnte. Warum hatte ich nur nicht
daran gedacht, als ich diesen Job antrat? Niemand ging vorbei. Ich versuchte
einen Takt auf dem Oberschenkel zu klopfen. Die Rückseite des Clowns war weiß.
Von meiner Seite sah es aus wie eine Wolke mit scharfen Konturen. Wolken. Ich
dachte an die Werbung die ein scharfes Mädchen am Strand entlang laufen ließ
und zwei scharfe Kerle schauten ihr zu. Ob es heute noch Rettungsschwimmer
gibt? Was musste man wohl tun um Rettungsschwimmer zu werden ? Bots waren heute
zwar wasserdicht. Aber in einer Brandung? Schwer zu glauben, dass sie das
konnten. Etwas raschelte. Jemand ging vorbei. Keine Filzpantoffeln sondern
richtige Schuhe. Schwarz und blank geputzt. Ein Mann sicherlich. Der Senior
Manager ? Der Mann ging vorbei. Nach einer Weile kam er zurück. Er hielt nicht
an. Wie mochte er aussehen? Ich verfluchte mich, dass ich nicht an ein Buch
gedacht hatte. Oder wenigstens eine Zeitung. Die Cartoons, die Mangas, der
Clown. Der Senior Manager mochte war wohl etwas schräg drauf. Ich hätte
eigentlich irgendwie einen alten Meister erwartet. Oder den ersten PC in Acryl
eingegossen. Mein Magen knurrte. Die
halb garen Brötchen waren wohl weg. Wann war meine Pause. Ich schielte auf
meine Uhr. Kein Top Modell, aber jeder Bürger hatte ein Recht auf eine Uhr.
Steht im Grundgesetz. Wie sonst sollte man pünktlich zur Essensausgabe oder zur
Arbeit kommen. Die richtig teuren Uhren waren implantierte Smartwatches. In
meiner jetzigen Situation – mindestens 100 Jahre Gehalt. Ob ich mir die jemals wieder leisten konnte?
Gott hatte ich Hunger. Wann würde der verdammte Senior Manager frühstücken.
Gegen Mittag? Meine Füße begannen ganz von alleine zu wippen. Jemand kam.
Filzpantoffeln. Gingen vorbei. Kamen nicht wieder.
Noch zwei kamen. Nein drei. Zwei Filzpantoffel und ein Paar Stiefel. Die Tür
ging auf. Vor mir ein Blau-Overall, ein Grün-Overall und die bekannte weiße
Uniform des Sicherheitsdienstes.
Außerdem noch ein weißer Bot.
„Hallo!“ sagte der Blau-Overall. Eine korpulente, ältere Frau mit Zöpfen,
die unter einer Haube hervor lugten. Sie hielt ein Tablett mit einer Flasche
darauf.
„Sie müssen vorkosten für den Senior Manger.“ Ich schaute ungläubig die Flasche
an. „Was .. was ist das ?“ „Das muss sie nicht interessieren, nehmen sie nur
100 Milliliter zu sich, wir füllen das jetzt ab.“ Sagte der Sicherheitsmann. Ein
spindeldürrer Kerl mit Glatze und stechendem Blick. Der grüne Overall – ein junges Mädchen mit
verhärmten Gesichtszügen, fülllte etwas aus der Flasche in eine Schale vom
Tablett und reichte es mir. Die anderen beiden schauten aufmerksam zu, der Bot
filmte alles. Ich schaute zweifelnd in die Schale. Eine etwas trübe weißliche
Flüssigkeit.
„Ist da .. Alkohol drin?“ mir kam Sake in den Sinn. Die Menschen brachen in
Lachen aus.
„Los runter damit!“ sagte der Wachmann. Ich zuckte die Achseln, setzte die Schale
an und stürzte alles herunter. Was solls. Die Flüssigkeit war warm und
hinterließ einen eigenartigen Geschmack im Mund. Unwillkürlich verzog ich das
Gesicht. „Was ist das ?“
„Na rat mal du Clown, „ sagte der Weißoverall, „ Muttermilch natürlich, der kleine
Senior Manager ist erst drei Monate.“ Die Reklame vom Jobcenter schoss mir durch den
Kopf –„ ein neuer Tag ein neuer Job“.